Wiesbadener Kurier, 7.10.2017
Kabarettistin Katalyn Bohn begeistert Idsteiner Publikum mit zweistündigem Programm!
Von Christine Dressler
IDSTEIN – „Veranstalter in Großstädten würden sich die Köpfe abreißen, um so eine Location zu haben“, schwärmte Katalyn Bohn.
Die Wiesbadener Film- und Theaterschauspielerin, Sprecherin und Kabarettistin begeisterte der Kulturbahnhof ebenso wie sie umgekehrt das Publikum mit ihrem aktuellen Programm „Sein oder online“.
Zwei Stunden lang faszinierte Bohn die Zuschauer mit ihrem Kabarett-Feuerwerk. Wie sie ständig die Rollen wechselte, Dutzende unterschiedliche Menschen und Tiere spielte, sang und musizierte, um sozialkritisch die letztendlich tödliche Effizienz um jeden Preis im digitalisierten Alltag zu beleuchten, begeisterte jeden im Saal vom Kind bis zum Senior.
Nach vehement geforderten und erneut gefeierten Zugaben hatten die Besucher immer noch nicht genug. Bohn beendete den minutenlangen Applaus strahlend mit dem Appell, die so sehr genossene Offline-Zeit doch über den Abend hinaus zu verlängern.
Bisher war Bohn nur einmal im Mai mit dem Hüffelsheimer Matthias Jung als Comedy-Mix im vor knapp drei Jahren eröffneten Kulturbahnhof aufgetreten. Nicole Schreiner, die für die Stadt mit vier ehrenamtlichen Helfern das Event organisierte, erklärte, warum sie die Künstlerin nicht schon früher eingeladen hatte. Aufgrund von Vermietungen für Anlässe wie Hochzeiten, Meetings oder Kulturveranstaltungen sei der Kulturbahnhof ständig ausgebucht.
„Das Programm 2018 steht schon und ich bin jetzt an der Planung für 2019.“ Schreiner freute sich darüber, dass der Bahnhof neuen Gästen, die Bohn angelockt hatte, ebenso gut gefiel wie der preisgekrönten Akteurin. „Er hat eine megatolle Atmosphäre“, fand
es Bohn, „einfach superschön, wie man hier bei Kerzenschein an Tischen sitzen kann“.
Schwarzhumoriger Rundumschlag
An diesen schmunzelten und lachten sogar manche, die das Gastspiel im Mai erlebt hatten, jetzt erneut über die witzig satirischen Szenen vom Kind auf dem Therapiebauernhof an der Autobahn bis zur Helios-Klinik der Zukunft. Nur das Brot mit „vegetarischer Wurst, die aussieht und schmeckt wie Nutella“, wollte keiner haben – Bohn auch nicht. Als Kind, Mutter, Karrieristin, Dieter Bohlen, Fahrerin intelligenter Autos, Online-Aussteigerin, die offline fingerfertig mit einer Leine zauberte, YouTuberin, Sprecherin von „Amnesty International“ oder als Schwangere, Alte und Ärztin zugleich, Chansonsängerin mit französischem Akzent und Boa, Tiere vom Einzeller bis zu Schwein, Kuh, Lamm und Küken im gemeinsamen Chat oder Roboter nahm Bohn zig Themen aufs Korn.
Der schrille schwarzhumorige Rundumschlag mit der Digitalisierung und Effizienz als rotem Faden vereinte so unterschiedliche Facetten wie die Technologisierung der Landwirtschaft, die Qual in der Massentierhaltung, Egozentrik, Hass, Krieg, Kommerz, Konsum, Sucht, idiotische Unterhaltungsindustrie, Einsamkeit und Depression, Gefühlsarmut, Gewalt und Terror im Kleinen sowie auf der Welt mit Entwicklungen in Richtung Online-Kindergarten. Dadurch machte Bohn umso deutlicher, was wirklich wichtig ist: das echte Leben und Fühlen voller Neugier und Lust auf Wissen in der Gemeinschaft mit anderen und ein verantwortungsbewusster Umgang miteinander und mit der Natur.